Personalmangel – 40 Schüler:innen parallel „betreuen“? Gedankenspiele

Schulleitungen sehen das mit Abstand größte Problem im gegenwärtigen Personalmangel der Fachkräfte. Gesetzt der Fall, die Situation spitzt sich weiter zu, und die Anzahl der gleichzeitig zu unterrichtenden SuS steigt de facto stetig an. Wie müsste der Schulalltag organisiert werden, damit SuS nicht unaufholbare Lernrückstände bekommen, und zugleich Lehrkräfte nicht überlastet werden? Welche Rolle könnte Digitalisierung dabei spielen?

Daginter steckt für mich auch die Frage, ob Digitale Optionen im Schulalltag auch bei knappen Personal unterstützend wirken könnten, um etwa Lernrückstände von SuS zu vermeiden.

23 Kommentare

  1. Also Lehramtsstudierende kontinuierlich (ggf. auch bezahlt – die geben ja auch bezahlte Nachhilfe, die wirkt, warum nicht umschichten?) in den SchulECHTbetrieb einzugliedern, fände ich cool.

  2. Wenn ich von meinem Bereich ausgehe und überprüfe, für welche Aktionen und Tätigkeiten Entlastungstunden den Lehrkräften zukommen lassen, so sind diese i.d.R. auf Engste mit ihren pädagogischen Aufgaben verbunden. Möglicherweise ist bei den zusätzlichen Aufgaben, die auf Schulen zukommen, hier noch etwas Luft: IT, Datenschutz, Arbeitssicherheit usw., aber auch hier braucht einen Konnex zur Schule und zur Schul- und Schülerwirklichkeit. Die Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren mit externen Vergaben gemacht haben, waren eher ernüchternd. Die Anzahl der Stunden, die ich so gewinnen könnte, ist marginal.
    Und: Wer in Teilzeit gegangen ist, hat i.d.R. dafür einen guten Grund: Pflege eines Angehörigen, Betreuung der eigenen Kinder usw. – Ein „einfaches“ Hochzeiten der Arbeitszeiten entspräche nicht dem, was ich mir unter einer guten Führung vorstelle.
    In der „Auseinandersetzung“ mit dem Staat scheint mir vielmehr Folgendes wichtig: Für alle die, die nicht verbeamten können (z.B. evang. Schulen in Bayern) braucht es für den Angestelltenstatus zusätzliche Anreize. Hier brauchen Schule rechtliche Unterstützung und machbare Vorschläge: Was ist erlaubt, was geht nicht? Wie soll mit der Arbeitszeiterfassung gut umgegangen werden? Was bedeutet es, im Angestellenverhältnis zu sein gegenüber dem Beamtentum? Wo sind die realen Vorteile, die es ja auch gibt? Wie lassen sich diese gewinnbringend einsetzen? Wie gelingt es, landesübergreifend ohne großen bürokratischen Aufwand, Quereinsteiger nachzuqualifizieren, damit sie ihre Arbeit vor Ort gut machen können? Wären die päd. Institiute hierzu ein guter Ansatzpunkt oder sollen die Schulstiftungen vor Ort diese Arbeit leisten? Wir brauchen einfachere Genehmigungsverfahren für die Quereinsteiger und müssen weg von hohen bürokratischen Hürden. Wie kann das gelingen?
    Größere Klassengruppen können nur gelingen, wenn zusätzliches päd. Personal in der Klasse vor Ort ist. Diese aber sind nicht refinanziert, wenn man denn überhaupt Personal gewinnen kann. (Auch hier ist der Markt leer.)
    Eigenverantworltliches Lernen kann auch nur gelingen, wenn die Lehrkraft als Mentor im Hintergrund präsent ist: Sprich, auch hier wird Arbeitszeit anfallen, auch wenn diese flexibler planbar sein sollte. Die Forderung nach mehr EVL und versetzten Anfangszeiten (Dalton) oder mehr Projektarbeit (Frei-Day usw.) bedeutet keine reale Verkürzung von Stundeneinsatz von Kolleginnen und Kollegen, sondern erst einmal mehr konzeptionelle Arbeit und damit mehr Zeiteinsatz.
    Der billigste Weg, mehr Schülerinnen und Schüler in einer Klasse zu führen ist die Rückkehr zum Frontalunterricht unter strenger Regie mit möglichst effektiven Sanktionen bei Störungen. Das aber kann der Weg ja wohl inhaltlich nicht sein.
    In bestimmten Jahrgangsstufen haben wir gute Erfahrungen damit gemacht, mehr Vorlesungsbetrieb anzubieten, z.B. Mathe in der gy Oberstufen vor ganzen Kursen mit einem umfänglichen Skipt (= Uniprinzip), um danach in effektive Kleingruppen mit Betreuung gehen zu können. Das heißt: Zentraler und frontaler Input durch einen Einzelnen, danach Vertiefung mit mehreren. Das „spart“ tatsächlich ein wenig Stunden, bzw. lässt die Möglichkeit zu, in der Vertiefungsphase kleinteiliger zu arbeiten. Aber auch dies ist kein flächendeckendes Modell, sondern auf bestimmte Schultypen und Altersklassen begrenzt. Zudem machen wir die Erfahrung, dass die Schüler*innen dies (noch) nicht wirklich ernst nehmen. Die Aufmerksamkeitsspanne in den Vorlesungen ist gering: Hier müsste anders eingeübt werden, damit solch eine Vermittlung effektiver geschehen kann.

    • Es schälen sich m.E. drei Aspekte heraus, an denen wir als schulübergreifende Themen weiterdenken könnten:
      1. Qualifizierung von Quereinsteiger:innen
      2. ‚Vorlesungsprinzip‘ / EVL => wie sehen didaktische Konzepte aus, die den damit verbundenen eigenen Herausforderungen gerecht werden? Wie sind Übertragungen auf die Mittelstufe machbar (denn hier wird sich in den kommenden Jahren vermutlich der größte Bedarf nach Konzepten ergeben, die auf den Personalmangel reagieren)
      3. Attraktivität des Angestellten-Verhältnisses
      Ich könnte mir vorstellen, dass wir diese Gruppe zunächst dafür nutzen, solche Themen zu eruieren und anzudenken, um diese dann auf der Pinnwand als je eigenständige Fragen / Themen zu setzen.

    • Ausweitung von Selbstlernzeiten und Hybridunterricht für Ältere
      Die Ausweitung von Selbstlernzeiten und Hybridunterricht insbesondere für ältere Schülerinnen und Schüler in Abstimmung mit den anderen Bundesländern wird ebenfalls geprüft. Die gegenseitige Anerkennung von Abschlüssen muss gewahrt bleiben. So das Bildungsministerium Brandenburg.

    • Die beschriebenen „Notfallmaßnahmen“ sind, wie der Name schon erahnen lässt, Maßnahmen, die wahrscheinlich auch auf Dauer zu einer Festschreibung erhöhter Arbeitsbelastung führen. Ich erwarte mir von diesem Ansatz keine Verbesserung.

      Wenn es kurz- und mittelfristig nicht möglich ist, den Lehrkräftemangel zu beheben, muss die Stärkung und Unterstützung durch außerschulische Maßnahmen Priorität bekommen, Lehrkräfte von Tätigkeiten zu entlasten, die auch von andere Berufsgruppen oder zentral geleistet werden könnten.

      Im Mittelpunkt der Lehrtätigkeit steht in meinem Bildungsverständnis die intensive Beziehungsarbeit mit Schülerinnen und Schülern (SuS). In der Pandemie wurde deutlich, wie fatal sich die Vernachlässigung dieses Faktors auf die Gesundheit und Entwicklung von Kindern auswirkt. Eine Erhöhung der Unterrichtsstunden für Lehrkräfte und der Anzahl von SuS in ihren Lerngruppen ist als Krisenintervention absolut kontraindiziert.

      Lösungsansätze sehe ich nur in Unterstützungssystemen, die Schulen und Lehrkräften von außen zusätzlich bereitgestellt werden. Dazu gehören Maßnahmen, die Vorbereitungs- und Korrekturzeiten von Lehrkräften deutlich verringern. Einen Großteil der Zeit verbringen Lehrkräfte mit der Produktion von Unterrichtsmedien, deren effektiver Nutzen in der Regel erst im Laufe der Zeit und häufig gar nicht evaluiert werden kann. Ebenso zeitintensiv sind die Erstellung von Klausuren und deren Korrekturen.

      Viele dieser Arbeiten könnten auch von außerschulischen, staatlich oder durch Schulträger beauftragten Einrichtungen zentral übernommen werden. Zentralen Unterstützungseinrichtungen müssten dabei so ausgestattet sein, dass sie für die Auswertung und Erstellung von Prüfungsarbeiten KI-Systeme nutzen und auf Anforderung hin digitale Lernmedien beauftragen können, die an den individuellen Lernfortschritt von SuS angepasst werden und für selbstreguliertes Lernen geeignet sind.

      Dadurch würden Lehrkräfte Zeit gewinnen für intensivere, individuelle Begleitung, mehr Zeit für Erklärungen und für die Schaffung eines positiven Lernklimas. Das könnte in offenen Lernräumen auch Arrangements erlauben, die bisherige Vorstellungen von Klassengrößen deutlich übersteigen und Freiräume schaffen.

  3. Impulse aus dem Netzwerktreffen 19.1.: Hier wurde die Thematik mit dem Thema Fortbildung verbunden.

    Wenn Lehrkräfte knapper werden, entstehen neue Herausforderungen (Umgestaltung des Unterrichts), die Fortbildungsnotwendigkeiten steigern – das aber wiederum braucht Zeitressourcen, die ja gerade der Mangel sind.

    Fortbildung gewinnen an Attraktivität, die kürzer sind und die digital stattfinden. Ein Netzwerk wie schule.evangelisch.digital könnte die Grundlage dafür bieten.

    Allerdings umgekehrt: Kürzere Fortbildung erfordern von Lehrkräften, on top wahrgenommen zu werden. Eine Halb- oder Ganztagsfortbildung verbindet sich in der Regel mit einer entsprechenden Freistellung vom Unterricht.

    Vielleicht verbindet sich Fortbildung und allgemeiner LuL-Mangel in folgender Idee: Stärker ‚universitäre‘ Bausteine – z.B. Plenumsanteile für eine ganze Jahrgangsstufe gestalten und dafür Freiräume für die individuellere Begleitung für SuS und auch für Fortbildungswahrnehmung zu gewinnen.

    In der Regel werden Fortbildungen dann wahrgenommen, wenn eine innere Motivation da ist. Wo sind diese intrinsischen Anknüpfungspunkte, an die angeknüpft werden kann?

    Die erworbenen Fähigkeiten von Corona-Lockdown-Unterricht geraten zunehmend in Vergessenheit, s. Nutzung von Plattformen, … Wie kann hier wieder angeknüpft werden?

  4. Welche Möglichkeiten gäbe es, kurzfristig (bei allen hier möglicherweise gemachten Kompromissen und Experimenten) sich Abhilfe und Erleichterung zu schaffen? Was ist erprobt? Wie könnte man gute Ideen und gute Praxis finden und weitergeben?

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